Zeigt her eure eigenen (!) Wildcats!

  • Wie schon der Titel sagt, zeigt her eure eigenen (!) Wildcats!

    Dieser Thread soll all jenen gewidmet sein welche sich die Arbeit und Mühe gemacht haben sich eine Wildcat-Patrone selbst auszudenken und diese schließlich bis zur Funktion gebracht haben!

    Also haut in die Tasten, zeigt her und erklärt auch mal woher die Idee stammt, was ihr damit bezwecken wollt, welche ggf. Unwägbarkeiten aufgetaucht sind und wie (bzw. ob) es dann letztendlich funktioniert hat.

    Ich bitte bloß darum Diskussionen über den Sinn zu unterlassen! Keiner macht sich diesen Aufwand wenn dahinter nicht eine konkrete Vorstellung des Zieles vorhanden ist, auch wenn diese nicht jedem ersichtlich ist!

    Vielen Dank auch an Karl-Heinz für das neue Unterforum! :doppeld:

    sacre fraternitatis ballistici illuminati (Gründungsmitglied)

  • Ich mache mal hiermit den Anfang! Und zwar mit der .416ZAR oder auch 10,5x40mm ZPW genannt. Teil 1

    .416 ZAR in verschiedenen Varianten

    Zur Geschichte: es war einmal, im Jahre des Herrn 2015, ein Waidmann aus dem Odenwald, welcher ein neues Revier gepachtet hat. Dieses hat sehr viel dichten Wald und auch einiges an Feldern, aber jedoch in relativer Nähe zur Ortschaft. Nahezu jedes Mal wenn der Jägersmann Anblick und Jagdglück hatte, standen die Ordnungshüter in Form der Polizei im Wald! Auf die Frage nach dem Grund warum diese denn gerufen wurden war die Aussage „Da ballert einer im Wald herum!“. Als der Waidmann, welcher einen .30-06er Repetierer mit Flüstertüte geführt hat, mir eines Tages sein Leid geklagt hat habe angefangen mir entsprechende Gedanken zu machen eine Patrone zu kreieren welche mit möglichst wenig Lärm auskommt und dennoch genug Dampf für Schwarzwild hat.

    Die Gedanken dazu waren folgende: der Überschallknall des Geschosses ist eine der Hauptursachen für den Krach, dazu kommt die Gasexpansion in dem Moment wenn das Geschoss den Lauf verlässt! Letzteres lässt sich gut mit Schalldämpfern eliminieren, jedoch den Überschallknall des Geschosses bekommt damit auch nicht in den Griff. Die logische Konsequenz daraus ist also den supersonischen als auch den transsonischen Geschwindigkeitsbereich zu vermeiden und ausschließlich im subsonischen Bereich zu bleiben! Das wirft in Bezug auf das deutsche Jagdrecht ein Problem auf wie viele wissen, und zwar die Energie für Schwarzwild welche, wie wir wissen ja bei E100>2000J betragen muss! Das geht aber nur mit richtig Geschossgewicht von über 600gn welches sich am besten mit großen Querschnitt bewerkstelligen lässt. Dabei hat man den Vorteil dass die Energieverluste im subsonischen Bereich sehr gering ausfallen, hier <100J/100m anstatt >500-700J im supersonischen Bereich. Der Nachteil ist allerdings dass die ballistische Kurve die Reichweite stark begrenzt, 120-130m sind noch machbar, danach ist der Abfall zu groß. Allerdings gereicht dieser Nachteil hier eher zum Vorteil, da Jagd in Ortsrandnähe und die damit verbundene Hintergrundgefährdung wesentlich geringer ausfällt.

    Also waren folgende Eckdaten für die neue Patrone gesetzt:

    • hohes Geschossgewicht
    • großer Querschnitt
    • unterschalliger Geschwindigkeitsbereich (<330m/s)
    • E100>2000J

    Darüber hinaus war es auch wichtig das die entsprechenden Komponenten zum (Wieder-)Laden und vor allen Dingen (Grund-)Waffen, lediglich durch Austausch des Laufes und ggf. des Magazins, leicht verfügbar sind. Das hat dann dazu geführt dass die .308Win als Mutterhülse herhalten durfte, weil es gerade bei diesem Kaliber viel am Markt gibt. Bzgl. dem Geschossquerschnitt: als ideal in Bezug auf Hülse und die damit verbundenen maßlichen Gegebenheiten kam .416 (10,57mm) als Querschnitt in Frage, zumal es da Geschosse mit hohen Gewichten bereits gibt. Und wegen der Gesetzgebung latürnich bleifrei! Damit waren schon einmal grob die Rahmenbedingungen gesetzt! Ich hatte mir zusätzlich in den Kopf gesetzt dass das Ding unbedingt für Halbautomaten tauglich sein sollte.

    sacre fraternitatis ballistici illuminati (Gründungsmitglied)

  • Teil 2

    Die nächste Hürde war dass die Patrone möglichst leicht zu Laden sein sollte. Am CAD ergaben die ersten Entwürfe eine Hybridpatrone. Eine Langwaffenpatrone zwar, aber mit der Innenballistik einer (sehr starken) Revolverpatrone und der Funktion einer Pistolenpatrone als Hülsenmundanlieger. Der Gedanke war recht verlockend und so entstand in Handarbeit der erste Patronendummy, welcher auch recht vernünftig aussah und rechnerisch auf dem Papier die Leistungswerte gebracht hat die als Ziel angepeilt waren. Nebenbei ist auch noch eine Hartmetall-Kalibriermatrize entstanden.

    Die Hülse wird folgendermaßen hergestellt: die .308Win wird auf eine Länge von 40mm, direkt unter der Schulter gekürzt, außen kalibriert und danach auf eine Länge von 25mm aufgerieben auf 10,4mm Durchmesser. Dann das Übliche, entgraten, bezündern, Pulver füllen und die Erbsen setzen. Gecrimpt wird nicht, die Spannung am Hülsenmund reicht dazu vollkommen aus.

    Die erste Waffe dazu sollte auch gleich ein Selbstlader sein, schließlich galt es Hürden zu überwinden, und wenn schon, denn schon. Also wurde ein AR10 (daher auch der Name „ZAR“) dazu auserkoren als Versuchskaninchen herzuhalten. Ein passender Lauf mit 18“ Länge und 10“ Drall wurde gebaut, mit Patronenlager und verstellbarer Gasabnahme versehen. In Anbetracht des zu erwartenden Gasdruckverlaufes wurde die Gasabnahme sehr nah am Lager positioniert. Somit konnten die ersten Versuche beginnen!

    Und die enttäuschten auf ganzer Linie! Für die ersten Versuche wurden Barnes .416 TTSX mit 350gn benutzt. Jedoch haben die Messungen nicht annähernd die Werte ergeben welche vorausberechnet waren. Schlicht gesagt waren die Bohnen alle um über 120-150m/s gegenüber den Berechnungen zu langsam! Es hat sich dann heraus gestellt dass die Lauflänge im Zusammenhang mit den Vollkupfergeschossen eher fatal wirkt, denn durch den Vollkontakt der Geschosse im Laufprofil entsteht eine recht heftige Bremswirkung. Die Selbstlade-Funktion des AR allerdings hat auf Anhieb geklappt. Als wir dann ein paar Geschosse zu Führbandgeschossen umgearbeitet haben sah das mit der Berechnung schon wesentlich besser aus und zeigte dass die angepeilten Ziele erreichbar waren.


    Teil 3

    In der Zwischenzeit hat sich allerdings auch gezeigt dass es in .416 keine Geschosse mit über 600gn gibt die noch dazu Führbänder aufweisen (mittlerweile schaut das anders aus). Also haben wir diese neu konstruiert und den Drehautomaten mal rennen lassen. Nach recht umfangreichen Tests auf Scheibe, Gelatine, einen Schinken und diversen Änderungen am Geschoss ging es dann endlich an Tests unter Realbedingungen, welche trotz Subsonic noch immerhin eine E100 von knapp 2200J aufweist.

    Der anfangs erwähnte Waidmann nahm sich der Sache an und war sehr zufrieden mit dem Resultat. Dennoch trat nach vier starken Stücken erneut ein Problem in Form von der Ordnungshüter auf! Leicht genervt fragte der Jäger was denn jetzt wieder wäre. Die Antwort war. „Da rennt einer mit einem Sturmgewehr im Wald rum!“, gehört habe man aber nichts. :boe:Wenigstens eine gescheite Erkenntnis dabei!

    Also wurde kurzerhand das AR10 ausgemustert, das Kaliber in eine Sabatti 870 gebaut, dabei aufgrund der gemachten Erfahrungen den Lauf mit nur 12“ Lauflänge gebaut und seither hat der Jägersmann nie wieder Schwierigkeiten mit den Ordnungshütern gehabt.

    Sabatti 870 in .416ZAR Linksausführung

    Zwischenzeitlich hat sich herausgestellt dass die Patrone mit handelsüblichen bleifreien Geschossen zwischen 250-350gn und entsprechend deftig geladen sich sehr gut auch als Drückjagd- und Hundeführer-Waffe eignet. Dabei ist eine E100 von 2800-3000J die Regel. Auch ist aufgrund der Lauflänge das Teil unglaublich gut zu führen. Mittlerweile sind hier lokal eine handvoll Jäger mit der .416ZAR unterwegs und allesamt recht angetan davon.

    .416ZAR mit SAX 245gn

    .416ZAR mit Barnes TTSX 350gn

    Das ausgemusterte AR10 erlebt derzeit ein Revival da sich gezeigt hat dass die Patrone im Mittelstreckenbereich sehr präzise ist und sich durch die hohen Geschossgewichte nur schwer vom Wind beeinflussen lässt. Ich setze sie daher sogar sportlich ein. Inwieweit das funktioniert wird sich noch zeigen.

    .416ZAR als Mid-Range Ausführung

    Habt bitte Verständnis dafür dass ich nicht alle Daten, insbesondere die von dem Unterschallgeschoss, preisgebe. Letzteres hat fast acht Jahre Entwicklung hinter sich.

    Dies mal in aller Kürze zur .416ZAR. :tiha: Die eigentliche Geschichte dahinter ist allerdings sehr viel umfangreicher!

    sacre fraternitatis ballistici illuminati (Gründungsmitglied)

    3 Mal editiert, zuletzt von Rick Dangerous (27. Dezember 2024 um 22:54) aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Rick Dangerous mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Chemnitzer
    13. Oktober 2021 um 22:17

    "Stehle einem Mann die Brieftasche und er ist eine Woche lang Arm, lehre ihn das Wiederladen und er wird sein ganzes Leben lang Arm sein."

    Konfuzius

  • Erstmal ganz viel Anerkennung für das durchziehen der Idee bis zur fertigen Patrone!!:mea: Ich finde das sehr faszinierend!

    Ich hab da jedoch eher eine Frage zum Subsonic Jagdgeschoss: Gibt es das schon in .458 oder könnte man das für dieses Kaliber auch herstellen?

    LG

  • Vorwort

    Zu der .30 TWO, hatte ich bereits in der Kaliber Rubrik etwas geschrieben, was nun im Nachhinein eventuell hier besser aufgehoben wäre!?

    Ergänzend kann man sagen, sogut eine neue Patrone in der Theorie sein kann, die Realität wird immer die Richtung und weitere Anpassungen aufzeigen.

    In diesem Fall war es relativ "Einfach", da eine geeignete Waffe zur Verfügung stand, es benötigte nur einen Kaliberspezifischen WL. Ebenso ein guter Kontakt zu einem Büchsenmacher besteht, der solch einem Vorhaben positiv gegenüber steht und auch über erforderliches ballistisches Wissen und Handwerkliches Geschick verfügt um solch ein Projekt auch praktisch umsetzen zu können!

    Dies alles sind notwendige Kriterien, sonst setzt die Theorie keinen praktischen Schritt und es wird über die Blaupause hinaus auch keine weiteren Fortschritte geben.

    Norfok
    29. Juni 2024 um 15:03
    Norfok
    6. Juli 2024 um 11:09

    "Everything else is just what you shoot before you shoot your first Freedom Arms!"

  • Erstmal ganz viel Anerkennung für das durchziehen der Idee bis zur fertigen Patrone!!:mea: Ich finde das sehr faszinierend!

    Vielen Dank! :winke:

    Ich hab da jedoch eher eine Frage zum Subsonic Jagdgeschoss: Gibt es das schon in .458 oder könnte man das für dieses Kaliber auch herstellen?

    LG

    Aktuell gibt es das nur in .416, es wäre denkbar das auf .458 aufzuziehen, das ist aber nicht einfach mit hochskalieren erledigt, sondern erfordert Neukonstruktion und einiges an Versuchen.

    sacre fraternitatis ballistici illuminati (Gründungsmitglied)

  • Ein wirklich spannendes Projekt!

    Funktionieren die Sax und Barnes auch subsonic oder nur supersonic?

    Könntest du die Waffe auch mit 3“ Drall bauen?

    Und wo liegt so ein Repetierer fertig beschossen Preislich?

    Glaubt mir nichts, ich habe doch auch keine Ahnung.

    .17 Hornet, .222 Rem., .22 Savage Hi-Power, 7x57R, .308 Win., .30-06 Spring., 8,5x55, 9,3x62, 9,3 Brennecke, .44 Rem. Mag.

  • Und wo liegt so ein Repetierer fertig beschossen Preislich?

    Solltest Du wirklich in einer Konversation anfragen.

    Gruß
    Karl-Heinz

    Ich tue Recht und scheue keinen Feind.

    Jeder Wiederlader handelt eigenverantwotlich, alle Ladedaten ohne Gewähr

    Am Crimp hat es nicht gelegen....war keiner drauf.

    Egal was ich tue, für irgendjemand auf diesem Planeten ist es das Falsche.

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