Mythos ÜBERKALIBRIG: Wahnsinn oder Möglichkeit?! Erfahrungen aus militärischen Schützenwaffen. Ein Thema, das eigentlich an Lutz Möller gehen sollte ...

  • Liebe Freunde des Forums,


    ich bringe hier ein Thema ein, das ich eigentlich an Lutz Mäller richten wollte. Leider stellte ich soeben fest, dass dieser vor gerade zwei Monaten verstorben ist. Ich gedenke diesem kreativen Tüftler! Nun richte ich hiermit mein Thema in der Originalform des fertigen Briefes an Lutz Möller an alle Interessierten weiter und würde mich über Kenntnisse, Erfahrungen, eine sachliche und interessante Debatte sehr freuen!


    Dankbar und mit Grüßen

    Dreiviertelmond




    Sehr geehrter Herr Lutz Möller,


    oftmals habe ich schon viele Ihrer guten Beiträge verfolgt. Meiner Erfahrung nach blieb auch den meisten langjährig erfahrenen und talentierten Uhrmachern bisher verborgen, dass es historische Gebrauchsuhren mit Dezimalzeit gibt: Der Tag mit zehn Stunden wurde in Frankreich während der französischen Revolution gesetzlich eingeführt und schon wenige Jahre später wieder abgeschafft. Uhren dieser technischen Gestaltung sind entsprechend äußerst selten und den meisten Experten völlig unbekannt. Verständlich, da sehr speziell. Mit etwas ähnlich Speziellem, einem kleinen Mythos möchte ich mich an Sie als jemanden, der sich aus echter Berufung um alles rund um das Thema Geschosse Gedanken macht, wenden.

    Mein Feld ist nicht das Weidmännische, es sind historische, militärische Schützenwaffen des I. und II. Weltkrieges. Leider erinnere ich mich nicht mehr, wo ich diesen kleinen Mythos aufgeschnappt habe, doch er blieb mir über Jahre im Kopf und ich habe schon viele Sammler und Experten daraufhin angesprochen, denen das Folgende ebenso unbekannt war: Während des ersten Weltkrieges wurden auf den Seiten beider Konfliktparteien Unmengen an Beutewaffen gemacht. So erbeuteten die österreichisch-ungarischen Truppen auch Unmengen der russischen Gewehre Mosin-Nagant M 1891, der Standardbewaffnung der russischen Infanterie. Diese Gewehre besitzen das bis heute bekannte und benutze Kaliber 7,62 x 54 R. Die Geschosse besitzen einen Durchmesser von 7,92 mm. Entsprechend ist das Zugmaß der Läufe mit entsprechenden Fertigungstoleranzen gestaltet. Die Menge der erbeuteten Munition stand in keinem Verhältnis zu der Menge der erbeuteten Gewehre, was vor allem an der recht spärlichen Ausstattung der russischen Soldaten mit Munition lag. Um einige der erbeuteten russischen Gewehre Mosin-Nagant M 1891 für die eigenen Truppen (wohl rückwärtige und Reserve) sinnvoll brauchbar zu machen, wurden diese angeblich in einem österreichisch-ungarischen Arsenal auf das eigene Kaliber 8 x 50 R Mannlicher umgearbeitet. Die Geschosse dieses Kalibers besitzen einen Durchmesser von 8,15 mm. Statt den Lauf zu tauschen, der entsprechend aufwendig erst hätte entwickelt und produziert werden müssen, entschied man sich für einen ganz einfachen Weg: Ohne den Lauf aus der Systemhülse zu nehmen wurde das Patronenlager von 7,62 x 54 R auf 8 x 50 R Mannlicher aufgerieben, die Gewehre bekamen eine entsprechende Marke zur Kennzeichnung eingeschlagen und fertig war die Büchs! Die Gewehre sollen genauso auch benutzt worden sein. Soweit der kleine Mythos.

    Ein Vergleich der beiden Patronen zeigt, dass die Kaliberänderung nur mit Blick auf das Patronenlager tatsächlich möglich gewesen wäre, da die Patrone im Kaliber 8 x 50 R Mannlicher in allen Dimensionen geringfügig größer ist. Doch kann sich heute weit und breit kein Schütze vorstellen, ein Geschoss mit einem Durchmesser von 8,15 mm durch einen Lauf mit einem Zugmaß von 7,92 zu jagen! Die Differenz im Durchmesser von 0,23 mm und im Radius von 0,115 mm lässt heute jeden Schützen erschrecken. So besagen doch auch Theorie und Praxis (siehe Thematik über die Einführung des S-Kalibers), dass sich ein erhöhter Gasdruck aufbauen muss, der zur Lauf- oder Systemsprengung führen kann beziehungsweise müsste ...


    Haben Sie bereits einmal von diesen oder vergleichsweise umgearbeiteten, überkalibrigen Infanteriegewehren gehört? Gibt es Faktoren, die möglicherweise noch nicht bedacht wurden und das damals doch möglich gemacht haben? Hat man sich möglicherweise damals, vielleicht und wenn dann sicher auch nach ausgiebigen Tests, nicht so zimperlich gegeben ... es hat einfach funktioniert und den Verschleiß hat man in Kauf genommen, da es sich lediglich um Beutewaffen handelte? Oder gehört dieser kleine Mythos in die Schubladen mit der Aufschrift "Unsinn!", "Wahnsinn!" und "Hat es nie gegeben!"?


    Ein Beispiel, das mit einer Differenz von 0,09 mm (1920er Jahre) bis 0,05 mm (1930er Jahre) in eine ähnliche Richtung geht, stammt historisch aus Finnland. Dort wurde aus dem russischen Kaliber 7,62 x 54 R das eigene Kaliber 7,62 x 53 R entwickelt. Abgesehen von der leicht differenten Hülsenlänge sind damals neue Läufe entwickelt worden, mit denen die erbeutenen russischen Gewehre auch wegen meist ausgeschossenen Läufen ausgestattet hat. Sie haben ein Zugmaß von 7,83 bis 7,87 mm, welches geringer als das der russischen Originale (7,92 mm) ist. Entsprechend war der Geschossdurchmesser der finnischen 7,62 x 53 R auch geringer. Das finnische Miltär hat die Verwendung der russischen Patronen mit dem größeren Geschossdurchmesser stets erlaubt, jedoch nur, wenn keine eigene Munition mehr vorhanden war. Zu 0,23 mm Differenz ist die von maximal 0,09 mm zwar um mehr als 50% geringer – aber immerhin, dort hatte man bei dieser Differenz wohl wenig bis keine Bedenken ...


    Vielleicht lohnt sich der Forschergeist in einem Test. Vollmantelgeschosse Boat Tail (Stahl verkupfert) mit Bleikern werden folgendermaßen maltretiert:


    Test A – Differenz im Durchmesser 0,09 mm: 7,62 x 54 R (Geschossdurchmesser 7,92 mm) durch einen Lauf ehemals 7,62 x 53 R (Zugmaß 7,83 mm)

    Test B – Differenz im Durchmesser 0,15 mm: 7,62 x 39 (Geschossdurchmesser 7,92 mm) durch einen Lauf ehemals 7,5 x 55 Swiss (Zugmaß 7,77 mm)

    Test C – Differenz im Durchmesser 0,23 mm: 8 x 50 R Mannlicher (Geschossdurchmesser 8,15 mm) durch einen Lauf ehemals 7,62 x 54 R (Zugmaß 7,92 mm)


    Ich bin sehr gespannt, was Sie zu diesem doch alles andere als zugkalibrigen Thema denken.

  • Die Geschosse dieses Kalibers besitzen einen Durchmesser von 8,15 mm. Statt den Lauf zu tauschen, der entsprechend aufwendig erst hätte entwickelt und produziert werden müssen, entschied man sich für einen ganz einfachen Weg: Ohne den Lauf aus der Systemhülse zu nehmen wurde das Patronenlager von 7,62 x 54 R auf 8 x 50 R Mannlicher aufgerieben,

    1. Der Durchmesser der Geschosse im Kaliber 8x50R ist tatsächlich 8,22mm.

    2. Wie soll man ohne Ausbau des Laufes in denselben ein kürzeres Patronenlager schneiden? 7,62x54R durch 8x50R. Das ist schließlich fast 4mm weniger. Genau gesagt ist die L3 beim Moisin-Nagant 54mm und bei der 8x50R sind das 50,6mm.

    Ich halte das ganze für nicht durchführbar.

    Natürlich könnte man sagen; dann hat halt das Geschoß einen längeren Freiflug. Aber der Geschoßdurchmesser geht gar nicht.

  • ...mit denen die erbeutenen russischen Gewehre auch wegen meist ausgeschossenen Läufen...

    Genau das ist der Grund, warum es, wenn auch mehr schlecht als recht, funktioniert hat.


    Eine solche Büchse mit auf 8x50R Mannlicher geriebenem Lager wird immer einen ausgeschossenen Lauf besitzen.


    Es war Krieg und beide Seiten hatten kein Material. Da war es auch Präzision nicht erforderlich. Es ging einzig darum, irgendwie Munition die ausreichend vorhanden war, in den Feind zu jagen.

  • 1. Der Durchmesser der Geschosse im Kaliber 8x50R ist tatsächlich 8,22mm.

    2. Wie soll man ohne Ausbau des Laufes in denselben ein kürzeres Patronenlager schneiden? 7,62x54R durch 8x50R. Das ist schließlich fast 4mm weniger. Genau gesagt ist die L3 beim Moisin-Nagant 54mm und bei der 8x50R sind das 50,6mm.

    Ich halte das ganze für nicht durchführbar.

    Natürlich könnte man sagen; dann hat halt das Geschoß einen längeren Freiflug. Aber der Geschoßdurchmesser geht gar nicht.

    Das ist nicht richtig.

    1. Nein, 8,15 mm.

    2. Bitte beachten: Die Gesamtdimensionen der Mannlicher 8 x 50 R sind in allem größer als die der russischen 7,62 x 54 R. Man lege 1 : 1 Aufrisse der beiden Patronen übereinander. Die Reibahlen können mit entsprechender verlängerter Aufnahme einfach durch das System hindurchwandernd zum Patronenlager gelangen und dort wirken - zumal sie auch nicht viel wegzureiben haben.

  • 1.Die 8x50R hat definitiv den Durchmesser 8,22mm. Schau einfach mal in den CIP Daten nach.

    Das ist nicht richtig.

    1. Nein, 8,15 mm.

    2. Bitte beachten: Die Gesamtdimensionen der Mannlicher 8 x 50 R sind in allem größer als die der russischen 7,62 x 54 R. Man lege 1 : 1 Aufrisse der beiden Patronen übereinander.

    2. 50mm sind also länger als 54mm. Interessante Theorie!!


    https://bobp.cip-bobp.org/de/t…age=2&cartridge_type_id=2

  • Das ist nicht richtig.

    1. Nein, 8,15 mm.

    2. Bitte beachten: Die Gesamtdimensionen der Mannlicher 8 x 50 R sind in allem größer als die der russischen 7,62 x 54 R. Man lege 1 : 1 Aufrisse der beiden Patronen übereinander. Die Reibahlen können mit entsprechender verlängerter Aufnahme einfach durch das System hindurchwandernd zum Patronenlager gelangen und dort wirken - zumal sie auch nicht viel wegzureiben haben.

    Wer kennt sie nicht die "Draufreibahle"

    Hätte gerne die Reaktion von Lutz Möller auf die Frage gesehen.

    "Stehle einem Mann die Brieftasche und er ist eine Woche lang Arm, lehre ihn das Wiederladen und er wird sein ganzes Leben lang Arm sein."

    Konfuzius

  • Naja, im krieg wurde das sehr oft gemacht. Damals war das auch recht egal. Diverse CIP Maße kamen nämlich erst wesentlich später, als diese waffe umgerieben wurde. Damals könnten also auch 8x50R Geschosse mit nur 7,92mm in den Patronen gesteckt haben, oder anders herum!

  • Patronenmaße sind immer gleich , egal wann sie per CIP oder SAAMI standardisiert wurden. Ein 7,62x54R Lager von 1915 ist geometrisch genauso wie eins von 2020.

    8x50R ist kürzer (L1, L2 und L3) wie 7,62x54R. Mit einem subtraktiven Fertigungsverfahren wie Reiben kann man also kein kürzeres Patronenlager aus einem längeren herstellen.

    "Stehle einem Mann die Brieftasche und er ist eine Woche lang Arm, lehre ihn das Wiederladen und er wird sein ganzes Leben lang Arm sein."

    Konfuzius

  • Naja, im krieg wurde das sehr oft gemacht. Damals war das auch recht egal. Diverse CIP Maße kamen nämlich erst wesentlich später, als diese waffe umgerieben wurde. Damals könnten also auch 8x50R Geschosse mit nur 7,92mm in den Patronen gesteckt haben, oder anders herum!

    Die 7,92mm sind das Feldmaß. Es kommt aber auf das Zugmaß an und das hat nun einmal 8,22mm. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

  • naja...damals sah man das nicht so eng. Da wurde eben alles durch den lauf gejagt, was ins patronenlager passte :D

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